Kaiserinnenschmarrn à la RTL – „Sisi“ zum dritten Mal geschändet

Zum Abschluss der festlichen Weihnachtsfeierlichkeiten präsentiert RTL die dritte Staffel der hausgemachten „Sisi“-Erzählungen im Fernsehen – ein sechsteiliger Affront gegenüber der historischen Wahrheit und der Intelligenz des RTL-Publikums selbst.

Die Geschichte von Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn hat aus unerklärlichen Gründen für viele Menschen einen festen Platz in den Weihnachtstagen, ähnlich wie Kerzenlicht, Kartoffelsalat mit Würstchen und die Ansprache des Bundespräsidenten. Vor zwei Jahren sprang RTL auf diesen historischen Zug auf und brachte die erste Staffel einer TV-Serie namens „Sisi“ auf den Bildschirm. Die Reihe wurde seitdem als erfolgreichster Neustart einer Eigenproduktion bei RTL+ gefeiert.

In der 3. Staffel dieses Erfolgs ist die märchenhafte Liebesbeziehung zwischen dem österreichischen Kaiser Franz und der oberbayerischen Adelstochter Sisi auf dem harten Boden der Realität gelandet. Die Unruhen nach dem Sturz von Napoleon III. veranlassen Kaiser Franz Joseph I., seinen sensiblen Sohn Rudolf früher als geplant zur Militärausbildung zu schicken. „Lehrt meinen Sohn alles, was er als oberster Feldherr der Krone wissen muss“, befiehlt er dem Ausbilder. „Zeigt keine Gnade. Denn auch mein Amt kennt Gnade nicht.“

Die erfundene Scheidungs-Pädagogik

Sisi rollt sich nach der Übergabe ihres Sohnes an die Militärakademie zunächst mit ihrem Gemahl im Ehebett zusammen und flieht dann – plötzlich zur Löwenmutter mutierend, was sie in Wirklichkeit nie war – mit ihrem Sohn im Kutschkasten einer latent kranken Erotik-Fotografin an die französische Küste. „Manchmal sind dein Vater und ich eben nicht derselben Meinung. Das müssen er und ich miteinander klären“, erklärt die Kaiserin dem Jungen. „Wir beide, wir machen uns eine schöne Zeit. Ich bin sicher, auch dein Papa würde sich das für dich wünschen.“ Die heutige Scheidungspädagogik scheint ihren Ursprung im 19. Jahrhundert zu haben.

Die hanebüchene Geschichte wird in der dritten Staffel zusätzlich durch das Gaunerpärchen Gustav und Walli sowie ein paar Rebellen aus der Arbeiterklasse ausgewalzt. Kaiser Franz Joseph versucht mit dem Slogan „Freibier für alle“, das aufmuckende Volk wieder auf seine Seite zu ziehen – vermutlich die österreichische Version des berühmten Bonmots der französischen Königin Marie-Antoinette: „Dann sollen sie doch Kuchen essen“. Doch das ist nur eine von vielen Stellen, an denen man den Verantwortlichen von RTL für diesen Kaiserschmarrn mit dem Schafott drohen möchte.

Fakten und Fiktion, verkocht zum Einheitsbrei

Serien wie „Downton Abbey“ oder „Bridgerton“ haben gezeigt, dass man Geschichte als Rahmen nutzen und dennoch mutig Neues schaffen kann. Bei „Sisi“ von RTL hingegen wird die tragische Geschichte einer schönen Kaiserin mit einer Vielzahl an uninspirierten Dialogen zu einem faden Einheitsbrei verkocht und nun in der dritten Runde dem TV-Publikum serviert. Warum die Serie gleich in mehreren Kategorien für den Deutschen Filmpreis 2023 nominiert wurde, bleibt ein Rätsel. Selbst für RTL-Verhältnisse ist die dritte Staffel dieser aufgedonnerten Räuberpistole ein neuer Tiefpunkt im TV.

Schon die ursprüngliche „Sissi“, gespielt von Romy Schneider und vor fast 70 Jahren von Regisseur Ernst Marischka verwirklicht, hatte nicht mehr viel mit der historischen Figur der Kaiserin Elisabeth zu tun. Im Vergleich zu „Sisi“ von RTL ist die nostalgische Filmtrilogie jedoch so authentisch wie eine Wiener Sachertorte. Während der Lebzeiten von Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn ist viel über sie hinweggegangen. Was RTL jedoch aus ihr macht, bewegt sich irgendwo zwischen Majestätsbeleidigung und Leichenfledderei. Sollte es in diesen Tagen in der Wiener Kaisergruft rumpeln: Das ist die Sisi, die sich im Grabe umdreht.