ARD und ZDF: Wie echte Experten zu Unpersonen werden

Die Medien reagieren oft überempfindlich auf Kritik – das zeigte sich klar im Fall des “Medienprofessors” Jürgen W. Falter, der bei der ARD in Ungnade fiel. Nun hat er ein faszinierendes Buch geschrieben, das die Auswahl von “Experten” bei den öffentlich-rechtlichen Sendern unter die Lupe nimmt.

Vorweg: Der Titel “Medienprofessor” täuscht, denn er könnte vermuten lassen, dass die Person nur aufgrund ihrer häufigen Fernsehauftritte relevant ist. Professor Jürgen W. Falter ist ein renommierter Wahlforscher, jedoch jahrelang omnipräsent in den Medien.

Kurz vor seinem 80. Geburtstag veröffentlichte er eine über 500 Seiten umfassende Autobiografie („Manchmal etwas überheblich, aber noch nicht ganz unmöglich“, Nomos Verlag 2023), inklusive eines Kapitels über seine Erfahrungen mit den Medien.

Zu jener Zeit war die meistgesehene Talkshow Deutschlands “Sabine Christiansen” (ARD), die mit bis zu sieben Millionen Zuschauern Rekordquoten wie “Wetten, dass..?” und Fußballspiele erreichte. Kein Experte war dort so präsent wie Professor Falter – selbst Politiker wie der damalige SPD-Finanzminister Hans Eichel oder der FDP-Chef Guido Westerwelle waren seltener eingeladen.

Die Medien kritisieren alles, aber niemand kritisiert die Medien

Von einem Tag auf den anderen wurde Falter zur Unperson, weil er es wagte, in einem Interview neben viel Lob auch eine moderate Kritik zu äußern. Dieser vermeintliche Fauxpas wurde von der ARD-Produktionsfirma als schlimmes Vergehen betrachtet und mit einer Ausladung vom Abschiedsfest der Talkshow bestraft. Per Fax empfahl man ihm statt der Party lieber ein Buch zu lesen: „Professor Untat: Was faul ist an deutschen Universitäten.“

Diese Episode verdeutlicht, wie sensibel Medien auf Kritik reagieren (in diesem Fall war es nur eine leichte Kritik, verbunden mit viel Lob). Journalisten haben dafür sogar einen Begriff: „Medienschelte“. Dies bezeichnet, dass Medien zwar jeden kritisieren und herabsetzen können, aber wer sich kritisch äußert, begeht ein Vergehen, das schlimmer ist als in Monarchiezeiten die „Majestätsbeleidigung“. Die Geschichte sorgte damals für so viel Aufsehen, dass sogar die „BILD“ berichtete.

Jedoch hat Falter aus diesem Vorfall nicht gelernt, weniger kritisch gegenüber den Medien zu sein. Er kritisiert die Auswahl sogenannter “Experten” bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Oft handelt es sich nicht um Experten, sondern um Personen, die von Journalisten, die selbst wenig vom Thema verstehen, als solche angesehen werden.

Die Etikettierung von “Experten” in den Medien wird vom Laien selten durchschaut

Ein Beispiel hierfür ist “Mr. Dax” Dirk Müller. Sein Arbeitsplatz an der Frankfurter Börse lag zufällig unterhalb der DAX-Kurstafel am Eingang der Handelsschranke, also am Eingang zu den Tischen, an denen die Börsenmakler saßen. Diese Position und ein schneller Spruch machten ihn im Fernsehen zum vermeintlichen Börsenexperten.

Letztlich glaubte er selbst daran und gründete einen Fonds, der über viele Jahre eine besonders schlechte Performance aufwies. Schon in meinem Buch „Reich werden und bleiben“ wies ich ironisch darauf hin, dass Mr. Dax höchstens als Gegenteil-Indikator taugt und wer das Gegenteil von dem tut, was er empfiehlt, gute Chancen hat, sein Vermögen zu mehren.

Falter nennt weitere Beispiele in seinem Buch – vermeintliche “Wahlforscher” oder “Parteienforscher”, die von ARD und ZDF als solche dargestellt werden, obwohl sie “noch nie ernsthaft mit empirisch-statistischen Instrumenten eine Wahl analysiert und noch keine einzige Wahlumfrage in ihrem Leben durchgeführt und ausgewertet haben, Menschen mithin, die schon vor einem einfachen statistischen Zusammenhangsmaß kapitulieren müssen”.

Falter: „Der Fachmann ärgert sich, der Laie kann sich noch nicht einmal wundern, da er die in den Medien geübte Etikettierungspraxis kaum durchschaut“.