Deutschland als Brückenbauer: Ministerin Svenja Schulze skizziert Ziele für 2024

In einem exklusiven Interview erläutert Entwicklungsministerin Svenja Schulze die Bestrebungen Deutschlands, Herausforderungen im Jahr 2024 zu meistern.

Ministerin Schulze, welche sind die zentralen Themen und Aufgaben, vor denen die deutsche Entwicklungspolitik steht?

Die Herausforderungen, die eine globale Zusammenarbeit zur Lösung erfordern, sind immens – angefangen beim Kampf gegen den Klimawandel bis hin zur Steuerung der Migration. Gleichzeitig herrscht in vielen Ländern, auch in Deutschland, eine wachsende Ermüdung angesichts von Krisen. Stimmen, die für einen Rückzug Deutschlands in die Isolation plädieren, werden lauter, als ob Krisen auf diese Weise verschwinden würden. Ich kann dieses Gefühl nachvollziehen, aber es ist ein Irrweg. Daher ist mein Ziel für 2024 ein vehementes Eintreten für eine verstärkte globale Zusammenarbeit, sowohl innerhalb Deutschlands als auch international. Beispielsweise auf dem UN-Zukunftsgipfel im September, der darauf abzielt, das multilaterale System effektiver zu gestalten.

Es gibt zahlreiche Bereiche, in denen eine verstärkte Zusammenarbeit sowohl Deutschland als auch den Menschen in unseren Partnerländern zugutekommt: von der Einwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte über den Kampf gegen den Klimawandel und grüne Wasserstoffprojekte bis hin zur gezielten Hilfe für Länder, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen. In einer Welt, die von Misstrauen geprägt ist und in der Konflikte zunehmen, bietet die Entwicklungspolitik die Chance, Brücken zu bauen und stabile Partnerschaften zu fördern.

Ein entscheidender Hebel für die Förderung von Entwicklung ist eine stärkere Rolle von Frauen und Mädchen. Daher bleibt die Förderung der Geschlechtergerechtigkeit auch 2024 ein Schwerpunkt der deutschen Entwicklungspolitik.

Welche Meilensteine erwarten uns 2024?

Die Bewältigung globaler Herausforderungen wird nicht allein durch öffentliche Entwicklungsgelder möglich sein. Daher konzentrieren wir uns darauf, neue Finanzquellen zu erschließen. Bei der letzten Klimakonferenz ist es uns gelungen, die Vereinigten Arabischen Emirate, einen wohlhabenden Golfstaat, dazu zu bewegen, erstmals in einen UN-Klimafonds einzuzahlen – ein Auftakt, dem weitere neue Geber folgen müssen. Für 2024 strebe ich auch weitere Fortschritte bei der Umsetzung der Weltbankreform an. Denn über die Weltbank und andere Entwicklungsbanken können beträchtliche Summen zur Bewältigung globaler Herausforderungen mobilisiert werden.

Zudem können und müssen auch private Unternehmen mehr für nachhaltige Entwicklung tun. Wenn es uns gelingt, nicht nur das deutsche, sondern auch das europäische Lieferkettengesetz zu verabschieden, wird der Einsatz für Menschenrechte und Umwelt zum neuen Standard.

Was mich für 2024 hoffnungsvoll stimmt, ist die selbstbewusste und aktive Rolle, die die Staaten des Globalen Südens zunehmend auf der internationalen Bühne einnehmen. Beispielsweise die Gruppe afrikanischer Staaten, die die Rolle der Vereinten Nationen in der globalen Steuerpolitik stärken wollen. Oder Brasiliens Präsidentschaft in der G20: Präsident Lula hat ehrgeizige Pläne im Kampf gegen Armut, Hunger, Klimawandel und Ungleichheit. Für die Lösung der übermäßig vielen gewaltsamen Konflikte sind Vermittler nötig, denen alle Parteien vertrauen – und diese kommen immer häufiger aus Schwellen- und Entwicklungsländern.

Welche internationalen Maßnahmen sind in diesen Bereichen erforderlich, und welche Rolle kann Deutschland dabei spielen?

Deutschland kann als Brückenbauer fungieren und Akteure aus verschiedenen Bereichen zusammenbringen. Deshalb werden wir im Sommer ein neues globales Konferenzformat einführen – die Hamburg Sustainability Conference. Dort wollen wir Vertreter des Globalen Nordens und des Globalen Südens aus Regierungen, der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft zusammenbringen, um gemeinsam an Lösungen für nachhaltige Entwicklung und eine gerechtere Finanzstruktur zu arbeiten.

Zusammen mit der ukrainischen Regierung werden wir im Juni in Berlin die Konferenz für den Wiederaufbau der Ukraine ausrichten.

In allen Fällen liegt die Lösung nicht in weniger internationaler Zusammenarbeit, sondern in mehr. Der Wohlstand Deutschlands hängt davon ab, dass wir weltweit Partner haben. Eine Volkswirtschaft, die auf internationale Wertschöpfungsketten und die Bewältigung globaler Probleme angewiesen ist, kann sich keine isolierte Mentalität leisten.